Talk

SEBASTIAN SCHIPPER (DE) / BJÖRN BENEDITZ (DE), ROGER BEHRENS (DE) & TOBIAS JUNDT (CH)

Sebastian Schipper / 00.00 – 01.00

Die Schönheit und das Drama dieser Stadt hat zuletzt niemand so gut eingefangen wie Sebastian Schipper mit seinem Film »Victoria«: eine fatal entgleitende, rauschhafte Berliner Nacht, gedreht in einer einzigen Plansequenz. Ganze sechs Deutsche Filmpreise gab es dafür. Für Pop-Kultur überführt der Regisseur und Schauspieler sein Werk unter dem Titel »Pain, Love, Langeweile, Geld« in eine neue Dimension. Er zeigt eine Stunde seines Films ohne Ton, aber im eigenen Kommentar, und wird dabei neue, alternative Filmmusik einspielen und so mit dem Publikum und dem per Telefon zugeschalteten »Victoria«-Team die Auswirkung von Ton auf Bild untersuchen. Bis einer stirbt … oder auch nicht.

Deichkind mit Björn Beneditz (oben) in Aktion
Foto: Henning Besser

Tobias Jundt   Foto: Gian Losinger

Roger Behrens

Björn Beneditz, Roger Behrens & Tobias Jundt / 23.00 – 00.00

Eine Frage, die sich gerade auf einem Festival in seiner ganzen Fülle oft stellt: Das Konzert – ein immergleiches Ritual oder doch nervenkitzelnde Erlebniswelt? Deichkind und Bonaparte gehören seit jeher zu jenen Bands, die ihre Musik auf der Bühne nicht einfach schlicht zur Aufführung bringen, sondern ein buntes Spektakel um diese herum veranstalten. Mitverantwortlich ist dafür im Falle der Ersteren der Raum- und Medienkünstler Björn Beneditz, der als künstlerischer Berater und Performer der Hamburger Gruppe fungiert. Dank Bierzitze, LED-Tetraeder-Hüten und Schlauchboot ist ein Deichkind-Konzert aufregender als jede Olympia-Eröffnungsfeier. Gleiches lässt sich über den fantastischen Wanderzirkus sagen, dem Tobias Jundt bei Bonaparte als sympathischer Diktator vorsteht. Mit Roger Behrens, kritischer Pop-Kultur- und Gesellschaftstheoretiker sowie Mitherausgeber der Testcard, sprechen Beneditz und Jundt nun über Livemusik, Kunst und Spektakel.


SPEX-Session: SANDRA GRETHER (DE) / BALBINA (DE) / ANNE HAFFMANS (DE) / THERESA LEHMANN (DE)

Foto: Katja Ruge

Seit nunmehr 35 Jahren bereichert SPEX, das Magazin für Popkultur, den deutschsprachigen Pop-Diskurs, den es einst selbst mit ins Leben gerufen hat. Anknüpfend an seine in diesem Jahr erschienene »Female-Issue« wird SPEX für diesen Talk einen selbstkritischen Blick auf die Gerechtigkeit im Pop-Betrieb werfen und ein Problem thematisieren, das älter ist, als das Magazin selbst: die noch immer ausstehende, angemessene Repräsentation von Frauen in Festivalprogrammen, Medien und Labelkatalogen. Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven blicken dabei die drei Diskussionsteilnehmerinnen auf diese: Sandra Grether gründete mit Parole Trixi eine der ersten deutschsprachigen Riot Grrrl-Bands, ist heute Teil von Doctorella und vor allem als Autorin und Aktivistin tätig. Balbina wiederum gehörte als Bina einst zum Umfeld des legendären Berliner HipHop-Labels Royal Bunker und schaffte in diesem Jahr mit dem Album »Über das Grübeln« ihren Durchbruch hinein ins euphorische Feuilleton und die Charts. Anne Haffmans wiederum ist die deutsche Labelmanagerin für zwei der größten und wichtigsten Indie-Labels im Geschäft: Domino und Mute. Depeche Mode, Nick Cave oder Daft Punk konnten sich schon auf ihre Expertise und ihr Engagement verlassen. Theresa Lehmann schließlich war Teil der Aktivistinnengruppe Femen und reflektiert diese Zeit nun mit »Hinter den Brüsten«, einem »multimedialen, politischen Spaßverein mit den Schwerpunkten Feminismus und Antifaschismus.«

Moderation: Torsten Groß (Chefredakteur von SPEX)


DIETER GORNY (DE) / ANNE HAFFMANS (DE) / DANIEL METEO (DE) / ZU GAST: HEIKO MAAS (DE)


Wie muss ein zeitgemäßes Urheberrecht anno 2015 aussehen? Drei sehr unterschiedliche Experten werden das bei »Pop-Kultur« diskutieren. Dieter Gorny gründete einst die Musikmesse »Popkomm« und war jahrelang Geschäftsführer des Musik-TV-Senders VIVA. Im März diesen Jahres wurde der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie e.V. zum Beauftragten für Kreative und Digitale Ökonomie beim Bundeswirtschaftsministerium ernannt. Anne Haffmans ist seit nunmehr fünf Jahren die deutsche Labelmanagerin für zwei der größten und wichtigsten Indie-Labels im Geschäft: Domino und Mute. Für Letzteres arbeitet Sie in wechselnden Konstellationen bereits seit den Neunzigern. Depeche Mode, Nick Cave oder Daft Punk konnten sich schon auf ihre Expertise und ihr Engagement verlassen. Statt des leider erkrankten Alec Empire wird der Produzent, DJ und Labelmacher Daniel Meteo die Perspektive der alternativen Berliner Musikszene wiedergeben. Meteo veröffentlicht unter eigenem Namen oder als Teil von Alb und Bus zahlreiche Platten. Außerdem betreibt er die Labels Shitkatapult und Meteosound (mit). Der Politiker und Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, wird während des Talks ebenfalls anwesend sein.

Daniel Meteo: Shitkatapult

Dieter Gorny: Bundesverband Musikindustrie

Anne Haffmans: Website / Domino Deutschland

Heiko Maas: Website / Twitter


DR. TOM FRITZ, NORBERT BISKY (DE) / BALBINA (DE)

Dr. Tom Fritz, Norbert Bisky / 17.30 – 18.20

Warum macht uns gerade die Erzeugung von Musik so euphorisch? Wie formt sie das menschliche Gehirn? Und wie kann man sie zur motorischen Rehabilitation oder gar einer möglichen Therapie von Alzheimer einsetzen? Dr. Tom Fritz leitet die Forschungsgruppe „Musikevozierte Hirnplastizität“ am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und beschäftigt sich mit genau solchen Fragen. Bei ihm gehört das Komponieren von Musik zum Therapieansatz. Die tiefgehende Wirkung von Musik auf das eigene Schaffen kann wiederum der Maler Norbert Bisky bestätigen. Die Werke des Baselitz-Schülers wurden schon auf fünf Kontinenten ausgestellt, sind u. a. in der Sammlung des New Yorker MoMa zu sehen. Entstanden sind sie alle zu einem stets auf die Arbeit abgestimmten Soundtrack. Für das Berghain ist er ein alter Bekannter: Dem Ballett »Masse« in der Halle am Berghain gestaltete Bisky ein spektakuläres Bühnenbild, für das er tief in die DJ- und Clubkultur eintauchte. Im letzten Jahr war seine gemeinsame Raum-Klang-Installation mit dem Produzenten Henrik Schwarz, »Zentrifuge«, in der Rostocker Kunsthalle zu sehen.

Dr. Tom Fritz: Website
Norbert Bisky: Website

Foto: Nico Woehrle

Balbina (DE) / 18.30 – 19.30
Uraufführung

Nicht weniger als »das deutsche Pop-Album des Jahres« hat Balbina da im April mit »Über das Grübeln« vorgelegt, so befand es zumindest SPIEGEL ONLINE. Die Berlinerin ließ aufhorchen mit einer ganz eigentümlichen Gesangs- und Textrhythmik sowie einem Herz für die weichen Dinge im Leben: Langeweile, Seife, Goldfische. Ihre Zeilen falten Oberflächen so gekonnt übereinander, dass sich plötzlich die ganz tiefen, schmerzhaften Wahrheiten aus ihnen heraus stülpen. Die Zeit wird angehalten und zugleich ein neuer Aufbruch an den Horizont gezogen. Balbina schwebt wohlig zaudernd durch die Möglichkeitsräume. Selbst die Musik wirkt so ergriffen, dass sie sich die meiste Zeit eh im Hintergrund aufhält. Bei »Pop-Kultur« wird die Lyrikerin und Sängerin mit den markanten, geometrischen und starren Outfits nun erstmals teils unveröffentlichte Gedichte vortragen. Diese suchen in den kleinen Alltäglichkeiten nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens.

Website


DANIEL MILLER, OWEN PALLETT, STEPHEN MORRIS, GILLIAN GILBERT

Photo: Peter Juhl

Daniel Miller ist der Gründer und Betreiber des legendären Labels Mute Records, auf dem u. a. Depeche Mode, Nick Cave & The Bad Seeds und Fat Gadget veröffentlicht haben. Owen Pallett ist ein international gefeierter Musiker und Komponist, der bereits für die Pet Shop Boys oder Taylor Swift tätig wurde, zum erweiterten Kreis von Arcade Fire gehört und zuletzt der Welt das Rezept hinter den Pop-Hits von Beyoncé oder Ariana Grande entschlüsselte. Unter seinem eigenen Namen und dem früheren Alias Final Fantasy hat Pallett zudem bislang vier Alben voll von ergreifender Schönheit hervorgebracht. Das Musikerehepaar Gillian Gilbert und Stephen Morris komplettiert die Gesprächsrunde. Morris war bzw. ist Schlagzeuger der Stilp rägenden Bands Joy Division und New Order. Letztere hat sich seit 2011 ein drittes Mal formiert. Wieder mit dabei: Gründungsmitglied und Keyboarderin Gillian Gilbert. Gemeinsam mit ihrem Mann veröffentlichte sie auch unter dem Namen The Other Two Musik.

Daniel Miller: Mute

Owen Pallett: Website

Gillian Gilbert & Stephen Morris: New Order


@NEINQUARTERLY, MICHAELA MEISE

Philosophie muss nicht immer langatmig sein. Sie funktioniert auch in bis zu 140 Zeichen sehr gut. Zumindest, wenn der US-Amerikaner Eric Jarosinski am Smartphone sitzt und als @NeinQuarterly twittert. Über 100.000 Follower verfolgen dort die öffentliche innere Dialektik des Professors für Neue Deutsche Literatur, Kultur und Kritische Theorie. Über das große Vorbild seines Accounts sagte er einmal: »Adorno hätte Twitter wahrscheinlich gehasst,aber Facebook hätte er noch viel mehr gehasst. Facebook hätte er verachtet.« Mittlerweile ist der Germanophile Kolumnist bei DER ZEIT und dem niederländischen NRC Handelsblad und tourt mit einem negierenden Live-Programm als #FailedIntellectual durch die Welt. Für seinen Auftritt bei »Pop-Kultur« lässt er sich von traurigen Akkordeon-Weisen begleiten, die Künstlerin Michaela Meise performt. Meise hat neben diversen Ausstellungen ihrer Arbeiten u. a. bereits für ihr Album »Preis dem Todesüberwinder« Kirchenlieder des 17., 18. und 19. Jahrhunderts neu aufgenommen, mit Tocotronic gearbeitet und gemeinsam mit Sonja Cvitkovic und Birgit Megerle Lyrik der antiken Dichterin Sappho vertont.

@NeinQuarterly: Website / Twitter

Michaela Meise: Website


MATTHEW HERBERT (UK), ANDRÉ DE RIDDER (DE) / VIV ALBERTINE (UK)

Matthew Herbert, André de Ridder / 18.30 – 19.30

Zusammen haben sie bereits den Minimal-Music-Meilenstein schlechthin, Terry Rileys »In C« aufgeführt, nun treffen Matthew Herbert und André de Ridder bei »Pop-Kultur« erneut aufeinander. Der Brite Herbert ist eine der kontroversesten Erscheinungen der Gegenwartskultur. Ob Augenoperation, Schweineleben oder schweißtropfender Club: Der Produzent, Labelbetreiber und Musiker sucht und findet stets ungewöhnliche Soundquellen. Zuletzt produziert er eine Woche lang ebenfalls in Berlin unter reger Einbeziehung der Öffentlichkeit. Der deutsche Dirigent de Ridder ist als Teil des Musikerkollektivs Stargaze nicht weniger umtriebig und auf der ganzen Welt beschäftigt. Neben Herbert hat er u. a. mit Chen Shi-zheng und Damon Albarn, mit Julia Holter, Grant Hart, Lee Ranaldo, These New Puritans und 1000 Robota zusammengearbeitet. Wer noch immer behauptet, dass Pop-Musik und Klassik nicht zueinander gehören, wird von seinen Kollaborationen schnell eines Besseren belehrt.

Der Talk findet in englischer Sprache statt.

Matthew Herbert: Website

André de Ridder: Website / Twitter

Photo: Chris Powers

Viv Albertine / 17.30 – 18.20

»CLOTHES CLOTHES CLOTHES MUSIC MUSIC MUSIC BOYS BOYS BOYS« – worüber man mit Viv Albertine alles sprechen kann, hat sie selbst im Titel ihres ersten Buches vorgegeben. Die ehemalige Modestudentin gehörte zum engsten Kreis der Londoner Punk-Bewegung. Mit Sid Vicious spielte sie bei The Flowers of Romance. Als Gitarristin von The Slits war sie Teil der vielleicht besten Band dieser Zeit: Die ungestüme Energie des Quartetts ließ selbst damals viele Kollegen blass aussehen. Später begann Albertine Filme zu drehen, nahm ein Solo-Album auf und ist heute zudem bildende Künstlerin und Buchautorin.

Die moderierte Lesung findet in englischer Sprache statt.

Moderation: Anne Waak

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